Wann kommt die Flut?
Schief gekrempelt, hoch gewickelt oder einfach nur zu wenig Stoff? Dem modischen Männerbein steht offensichtlich das Wasser bis zum Hals. Hochwasserhosen sind ein neues Must-have und das, man(n) staune übrigens von Jeans-, Jogging- bis hin zur klassischen Anzughose, in allen Varianten. Frau staunt übrigens auch, denn hätte ihr vor einigen Jahren jemand prophezeit, der attraktive, modisch bewusste Mann laufe zur Jahrzehntwende im härtesten Fall mit einer „Hochwasserleggins“ umher, sie wäre in schallendes Gelächter ausgebrochen.
Der Interpretationsraum des Trends ist gleich mehrere Quadratmeter groß. Zum einen ist es möglich, dass auch Männer ihre sexy Fesseln zur Schau stellen möchten, vielleicht sogar beweisen wollen, dass sie guten Socken und Schuhgeschmack haben. Oder aber auch Humor, erinnert die zu kurze Hose nicht zu letzt an Clowns oder charmant – zerstreute Professoren. Die Schattenseite allerdings lässt auf männlichen (Stoff)geiz und krisengebeutelte Sparsamkeit schließen, sowie auf das ewig, nervige Kind im Mann, das aus der Hose, wie aus einem alten Kommunionanzug längst hinaus gewachsen ist. Gewöhnen muss man sich trotzdem an den Anblick, denn auch in der kommenden Saison ist das knöchellange Hosenbein bei Comme des Garçons, Dries van Noten, Kenzo und Dior in den Kollektionen zu sehen.
Ein Johnny Depp übrigens, der dürfte das öffentlich tragen. Genauso wie Pete Doherty, Justin Timberlake oder auch Barack Obama. Denn mit wahrer Coolness, einem Augenzwinkern oder der nötigen Rockstarallüre überzeugt auch die zu kurze Hose. Würde allerdings Til Schweiger, Moritz Bleibtreu, Bushido oder Oliver Pocher in einer Hochwasserhose auf der diesjährigen Bambiverleihung erscheinen, würden wir doch kurz die Augen zusammen kneifen und den Kopf schütteln. Bleibt letztendlich nur zu hoffen, dass niemand auf die Idee kommt, eine solche Hose zu einer Tsunami Charity-Veranstaltung zu tragen.
Text > Hildegard Reh
Illustration > Kathrin Schäfer