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Jil Sander | Visionär minimal

Saturday, 21. November 2009

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Was Yves Saint Laurent in Frankreich gelang, schuf Jil Sander in Deutschland: Sie veränderte alles und kehrte doch nichts um. Die Deutsche etablierte für die Frau den Anzug und spielte dabei so virtuos mit Stoff und Proportion, dass die Weiblichkeit nicht anmutiger hätte sein können. Nicht klassisch im Sinne von Kurven, vielmehr feminin im Sinne souveräner, starker Frauen, die fließend puristische Hüllen benötigen, um sowohl im Alltag als auch im Beruf zu bestehen.

Dieser textile Feminismus mag aus heutiger Sicht überflüssig erscheinen, doch als Jil Sander 1967 – damals noch Moderedakteurin bei “Petra” – im Hamburger Stadtteil Pöseldorf ihre erste Boutique eröffnete, in der sie auch eigene Entwürfe verkaufte, steckte die Mode noch immer im Vielviel-Dilemma der Wirtschaftswunderjahre fest.

Anfang der Siebziger begann sie damit, Damenkleidung aus luxuriösen Herrenstoffen zu fertigen, entwickelte neue Schnitte und Materialien, reduzierte alles Überflüssige und zeigte 1973 ihre erste vollständige Kollektion auf dem Mailänder Laufste: Asketisch strenge Anzüge und Mäntel, puristische Kaschmirentwürfe und monochrome Seidenkleider, die das gestalterische Fundament für den Weltruhm der Deutschen Modedesignerin bildeten.

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Ihre Kollektionen kehrten dem scheiderischen Exzess der Achtziger den Rücken und machten Understatement attraktiv. Als sich ihr androgynes Design durchsetzte und ihre Kollektionen in den Neunzigern heißer gehandelt wurden, als Giorgio Armanis („Jil Sander is hot Armani not“), hatte sie als Nachfolgerin von Karl Lagerfeld eine Gastprofessur an der Hochschule für angewandte Kunst in Wien und wurde 1997 mit einem BAMBI ausgezeichnet. 

Doch dann folgte, was für jeden Modekenner bis heute ein Desaster ist: Die Hamburgerin holte sich einen Partner ins Boot, verkaufte 75% der Aktien an die italienische Prada-Gruppe und aufgrund unüberbrückbarer Differenzen mit Prada-Chef Patrizio Bertelli stieg sie 1999 aus ihrem eigenen Unternehmen aus. 2003 kehrte sie noch einmal als Verantwortliche für das Design der Marke zurück, um sich im darauffolgenden Jahr endgültig zurückzuziehen.

Seit diesem Jahr designt Jil Sander wieder. Für die japanische Marke “Uniqlo” und es bleibt zu hoffen, dass die krisenerprobte Visionärin auch bald wieder in Europa den gestalterischen Raum bekommt, den sie sich selbst erkämpft und seit jeher verdient hat.

Text > Julia Christian
Fotos > AP

Author: julia

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