Neue Heimat für das Reh
Versailles, St. Petersburg, Potsdam. Was wie eine ungleiche Reihe zwar hübscher, aber doch sehr unterschiedlicher Städte klingt, vereint im Grunde ein und dieselbe Idee: Eine zweite Residenzstadt, abseits des eigentlichen Machtzentrums.
„Das ganze Eyland muß ein Paradies werden“ riet ein Freund dem damaligen Kurfürsten Friedrich Wilhelm. In Folge dessen rackerten sich die verschiedensten Dynastien und Regime an ihrer Idee eines „Garten Eden“ vor den Toren Berlins ab. Beispiele des Bauwahns: Zum einen die russische Kolonie „Alexandrowka“, deren 13 Holzhäuser zu Ehren des Zaren Alexanders I. 1826 gebaut wurden. Dann die pittoreske Ziegelsteinidylle im Holländischen Viertel, errichtet, um niederländische Handwerker ab 1743 nach Potsdam zu locken. Unübersehbar die preußisch-barocke Üppigkeit von Schloss Sanssouci und der dazugehörenden Parkanlage. Und schließlich Babelsberg, in dessen Filmpark deutsche Klassiker wie Fritz Langs „Metropolis“, „Der blaue Engel“ oder „Die Legende von Paul und Paula“ zu DEFA-Zeiten entstanden.
In diesem Jahr wird Potsdam zur neuen Heimat für den BAMBI, Deutschlands ältesten und wichtigsten Medienpreis. In der 2008 neu gebauten Metropolis Halle im Filmpark Babelsberg findet am 27. November die Verleihung statt, und zum 20. Jubiläum des Mauerfalls hätte es wohl kaum einen besseren Ort geben können als die ehemalige preußische Residenzstadt. Zwei der allerersten BAMBI-Preisträger von 1948 – Marika Rökk und Kurt Maetzig – lebten und arbeiten in Potsdam. Preis und Stadt eint die gleiche lange Film- und Fernsehtradition, und das kleine Eiland vor den Toren der Berlins symbolisiert wie kaum eine andere Stadt den Erfolg deutsch-deutschen Zusammenwachsens.
Hat man hier lange auf die alte Pracht und den verblichenen Glanz warten müssen, so ist die Stadt inzwischen ein Mosaik aus Ost und West, Hochkultur und Gegenwart und dabei sympathisch und unaufgeregt authentisch. Ob Potsdam nun Medienstadt mit noch mehr internationaler Anziehung wird, ein Micro-Silicon-Valley, das mit dem Hasso-Plattner-Institut das wichtigste Hightech-Forschungszentrum beheimatet oder einfach nur die deutsche „Familienhauptstadt“ bleibt, sicher ist: Rehe fühlen sich wohl im Paradies.
Bild 1 > Tom-higgins| Pixelio.de
Bild 2 > Schemmi | Pixelio.de
Autor > Julia Christian
Author: BAMBIblog